Gehört das Zahngold in die Urne?
Rechtsgutachten von Aeternitas klärt auf
In vielen Krematorien werden nach der Einäscherung Implantate wie Zahngold oder künstliche Hüftgelenke aus der Totenasche entnommen. Diese Praxis ist rechtlich umstritten. Sind sich Hinterbliebene und Krematoriumsbetreiber einig, ist die Entnahme in der Regel jedoch zulässig.
Königswinter, 16.05.2018 - Unter Krematoriumsbetreibern hat in den letzten Jahren die Unsicherheit zugenommen, wie sie korrekt mit Metallresten in der Totenasche verfahren sollen. Die vielerorts übliche Entnahme und anschließende Verwertung wird von manchen Experten kritisch gesehen. Einige fordern, dass solche Überreste vollständig in die Urnen (Fachleute sprechen hier von Aschekapseln) gehören und mit beigesetzt werden sollten. Dabei stützen sie sich unter anderem auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2015, nach dem die unbefugte Entnahme von Zahngold aus der Totenasche strafbar ist. Die Richter stuften dabei sämtliche Überreste aus der Einäscherung als Teil der Totenasche ein - inklusive der Metalle.
Die Übertragung dieses Urteils auf die Bestattungspraxis stellt die ca. 160 deutschen Krematorien vor Probleme. Nach jeder Einäscherung bleiben zahlreiche größere Knochenstücke zurück, die anschließend in einer Mühle gemahlen werden. Erst der dann entstandene pulverartige Staub wird in die Aschekapseln gefüllt. Größere Metallteile wie Hüftgelenke schmelzen bei der Einäscherung nicht und müssen vor dem Mahlvorgang entnommen werden, um die Mühlen nicht zu beschädigen. Werden diese wieder in die Aschekapsel gegeben, müssen sie wegen ihrer Größe zum Teil zersägt werden - aufgrund der robusten Werkstoffe mit teurem Spezialgerät. Die der Asche nicht entnommenen Metalle enden dann auf Friedhöfen, in Bestattungswäldern oder - im Rahmen von Seebestattungen - auf dem Meeresboden.
Nach einem aktuellen Rechtsgutachten von Aeternitas, der Verbraucherinitiative Bestattungskultur, können Krematorien jedoch weiterhin Zahngold und andere Implantate aus der Totenasche entnehmen. Eine strafrechtliche Relevanz ergäbe sich nur dann, wenn die Entnahme unbefugt erfolgt. Auf einen solchen Fall hatte sich auch der BGH im Jahr 2015 berufen. Üblicherweise lassen sich Krematoriumsbetreiber jedoch von den Hinterbliebenen schriftlich bestätigen, die metallischen Überreste entnehmen und verwerten zu dürfen. Die Erlöse werden in der Regel gespendet oder kommen dem Haushalt des Krematoriums zugute. Ohnehin unproblematisch wäre die Entnahme, wenn der Verstorbene dieser bereits zu Lebzeiten zugestimmt hat.
Ähnliches gilt aus zivilrechtlicher Perspektive: Hiernach kann das Eigentum an den Metallen in der Totenasche rechtmäßig auf den Betreiber des Krematoriums übergehen - wenn Erben und Totensorgeberechtigte dieser Aneignung zustimmen. In der Praxis handelt es sich dabei häufig um die gleichen Personen, nämlich die engsten Verwandten. Darüber hinaus ist die strafrechtliche Sicht, was Bestandteil der Asche ist, auf das Bestattungsrecht nicht übertragbar. "Betrachtet man die entsprechenden Regelungen der Landesbestattungsgesetze, sind Implantate kein beizusetzender Bestandteil der Totenasche", erläutert der Aeternitas-Rechtsreferent Torsten Schmitt. Im Gegenteil: In zunehmend mehr Bundesländern hat sich der Grundsatz durchgesetzt, dass aus Umweltgesichtspunkten bei Bestattungen nur noch verrottbare Materialien verwendet werden dürfen. Eine Beisetzung von metallischen Überresten insbesondere vom Ausmaß künstlicher Hüftgelenke würde dem widersprechen.
Das ausführliche Gutachten (neun Seiten) stellt Aeternitas kostenlos auf seiner Webseite www.aeternitas.de zum Download zur Verfügung.
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Alexander Helbach
Aeternitas e.V. - Verbraucherinitiative Bestattungskultur
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