Sargpflicht
Unter der Sargpflicht (auch Sargzwang genannt) versteht man die Pflicht, einen Leichnam in einem Sarg zu bestatten oder einzuäschern.
Die Verpflichtung zur Verwendung eines Sarges ist in einigen Landesbestattungsgesetzen ausdrücklich festgeschrieben, in anderen wird sie stillschweigend vorausgesetzt. Insbesondere aufgrund der Rücksichtnahme auf die Bestattungsriten bestimmter religiöser Gruppen (in der Praxis betrifft dies in der Regel Muslime), wonach die Bestattung in einem Leichentuch stattzufinden hat, haben fast alle Bundesländer Ausnahmen von der Sargpflicht zugelassen (Stand 2023). Nicht jeder Friedhof dort bietet jedoch sarglose Bestattungen an.
Als Argumente für die Sargpflicht werden im Wesentlichen genannt:
- Tradition
- Menschenwürde
- Hygienische Gründe
- Bessere Verwesung aufgrund des im Sarg befindlichen Sauerstoffs
Im Einzelnen kann hierauf erwidert werden:
Tradition
Historisch betrachtet war der Holzsarg in Europa zwar bereits im 9. Jahrhundert bekannt, er konnte sich er jedoch erst Ende des 16. Jahrhunderts durchsetzen. Allerdings konnten sich zunächst nur wohlhabende Menschen Bestattungen im Sarg leisten. In Süddeutschland war eine sarglose Bestattung in manchen Gebieten noch bis ins 19. Jahrhundert üblich. Es handelt sich damit bei der Sargbestattung zwar um eine Jahrhunderte alte Tradition, noch älter und weiter verbreitet war jedoch die Tradition der sarglosen Bestattung. Auch nach christlichem Verständnis bzw. aus der Bibel lässt sich ein entsprechendes Gebot/ eine entsprechende Tradition nicht herleiten. Jesus selbst wurde schließlich laut der Überlieferung nicht in einen Sarg beigesetzt. Es ist anzunehmen, dass unter anderem die Hygienevorstellungen zu der weiten Verbreitung der Sargnutzung und später der Sargpflicht geführt haben.
Menschenwürde
Es ist davon auszugehen, dass es der Menschenwürde nicht widerspricht, eine sarglose Bestattung zuzulassen, jedenfalls dann nicht, wenn es dem Willen der Verstorbenen entspricht.
Die Menschenwürde stellt eine Tabugrenze dar. Die Gesellschaft ist sich einig, dass gewisse Weisen des Umgangs der öffentlichen Gewalt mit dem Menschen schlechterdings unerträglich sind. Dies bedeutet, dass eine positive Definition kaum möglich ist, sondern die Frage, was schlechterdings unerträglich ist, anhand des jeweiligen Einzelfalls angesichts des fraglichen Eingriffs beurteilt werden muss.
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu – wiederum sehr unbestimmt – mit der sogenannten "Objektformel" formuliert, dass es der Würde des Menschen widerspricht, ihn "zum bloßen Objekt des Staates" zu machen (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 05.02.2004, Az. 2 BvR 2029/01). Solange Menschen selbstbestimmt und frei ihren Willen dahingehend geäußert haben, ohne Sarg bestattet zu werden, werden sie nicht zum bloßen Objekt degradiert. Vielmehr wird im Gegenteil der Würde des Menschen gerade erst durch die Ermöglichung der willensgemäßen Bestattung Genüge getan.
Es wäre überdies vermessen, die sarglose Bestattung grundsätzlich als unwürdig zu bezeichnen, da man damit die eigene Kultur über die Kultur verschiedener anderer Nationen/ religiöser Gruppierungen erhebe, ja sogar die religiöse Überzeugung vieler als menschenunwürdig degradieren würde
Die Grenze zum Eingriff in die Menschenwürde würde wohl erst dann überschritten, wenn zum Beispiel der Staat ohne oder gegen den Willen der Verstorbenen im Rahmen von ordnungsbehördlich veranlassten Bestattungen eigenmächtig die Bestattung aus Kostenersparnisgründen ohne Sarg vornähme. Die Verwendung von Leichentüchern lediglich aus Kostengründen stellt damit eine Herabwürdigung dar, sofern diese Handhabung nicht dem Willen der Verstorbenen entspricht. Dies wäre wohl auch dann der Fall, wenn es dem Willen der Angehörigen entspräche.
Hygiene
Findet die Bestattung später als 24 Stunden nach dem Todesfall statt, können bereits Körperflüssigkeiten freigesetzt werden. Dies wird aus hygienischen und insbesondere auch ästhetischen Gründen für problematisch gehalten. Deshalb sollten für den Transport eines Leichnams nach mehr als 24 Stunden feste, geschlossene Behältnisse verwandt werden.
Aus hygienischer Sicht unerheblich ist, ob ein Leichnam im Grab selbst nur in ein Tuch gehüllt ist oder zum Beispiel in einem Sarg liegt. Damit steht fest, dass hygienische Gründe einer sarglosen Beisetzung (das Verbringen des Leichnams in die Erde) nicht entgegen stehen. Es sollte nur dafür Sorge getragen werden, dass entweder eine sehr zügige Bestattung ermöglicht wird oder aber beim Transport der Austritt von Körperflüssigkeiten verhindert (durch Kühlung/ thanatologische Behandlung) bzw. berücksichtigt wird (mit Hilfe eines dichten Behältnisses/ Transportsarges, der auch wieder verwendbar sein kann).
Bessere Verwesung
Es wird immer wieder behauptet, dass der Sarg durch die um den Leichnam geschaffene Lufthülle zu einer besseren Verwesung und damit zur Verhinderung von Fettwachsleichen führt. Wahr ist daran, dass grundsätzlich zur Verwesung Sauerstoff benötigt wird. Andererseits wird jedoch auch die Ansicht vertreten, dass der unmittelbare Kontakt des Leichnams zur Erde (und der darin enthaltenen Organismen) eine Verwesung beschleunigt. Eindeutig wissenschaftlich belegt oder widerlegt ist keine dieser Ansichten. Wesentlich für die Verwesung sind insbesondere die Bodenverhältnisse.
Unstreitig dürfte darüber hinaus sein, dass Särge zu einer Verwesungshemmung führen können. Dies gilt besonders für massive Särge, deren Holz nur langsam verrottet und die den Leichnam fast luftdicht einschließen, wie zum Beispiel auch lackierte Särge. Es ist daher davon auszugehen, dass es insbesondere von den konkreten örtlichen Gegebenheiten und auch der Art des Sarges abhängt, ob eine Verwesung besser in einem Leichentuch oder in einem Sarg stattfindet. In keinem Fall ist jedoch wissenschaftlich belegt, dass die Verwendung von Leichentüchern häufiger zu einer Wachsleichenbildung führen.