Sternenkinder: Rechtliche Fragen
Die Frage nach der Bestattung von während der Geburt oder kurz nach der Geburt verstorbenen Kindern ("Sternenkinder") ist in Deutschland juristisch nicht so einfach zu beantworten. Es existieren unterschiedliche Regelungen für die verschiedenen Fälle. Da das Bestattungsrecht in Deutschland Sache der Bundesländer ist, regeln 16 Bestattungsgesetze die Materie - und das mit teilweise deutlichen Abweichungen. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Bestattungsrecht und der Bestattungspflicht. Dabei unterscheiden sich die Gesetzesvorgaben der einzelnen Bundesländer erheblich.
Schon die Begrifflichkeiten, die verwendet werden, zeigen die Differenzen: totgeborene Kinder, tot geborene oder in der Geburt verstorbene Kinder, verstorbene Neugeborene, in der Geburt verstorbene Leibesfrüchte, Fehlgeburten (oder: Fehlgeborene), Totgeburten (oder: Totgeborene), aus Schwangerschaftsabbrüchen stammende Leibesfrüchte, Feten (auch: Föten) oder Embryonen, Ungeborene und totgeborene Leibesfrüchte. Teilweise werden diese Begriffe im Gesetz definiert, teilweise wird eine Definition vorausgesetzt.
So unterschiedlich die verwendeten Begriffe sind, so unterschiedlich sehen auch die Regelungen aus. Das Bild stellt sich eindeutig als uneinheitlich da. Drei häufiger verwandte Grenzlinien finden sich in den verschiedenen Gesetzen allerdings: Das Gewicht von 500 Gramm, 1000 Gramm und die zwölfte Lebenswoche.
Die Gewichtsgrenze von 500 Gramm trennt regelmäßig das Recht zur Bestattung von der Pflicht zur Bestattung ab. So wird in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine tot geborene oder während der Geburt verstorbene Leibesfrucht von mindestens 500 Gramm als bzw. wie eine "Leiche" oder ein(e) "Verstorbene(r)" behandelt, der/die bestattet werden muss. Regelmäßig werden diese (Leibesfrucht über 500 Gramm ohne Lebenszeichen bei der Geburt) auch in Anlehnung an die Definition aus Paragraph 31 Personenstandsverordnung als "Totgeborene" bezeichnet.
In Schleswig-Holstein wird das totgeborene Kind zwar ebenfalls als Leiche definiert, von der Bestattungspflicht werden jedoch die aus einem Schwangerschaftsabbruch stammenden Feten mit einem Gewicht über 500 Gramm, die dort ebenfalls als Totgeburten definiert sind, ausdrücklich ausgenommen. In Rheinland-Pfalz wird, ohne eine Definition von Leichen, Fehl- und Totgeburten vorzunehmen, ebenfalls die Bestattungspflicht ab 500 Gramm festgeschrieben, bis 500 Gramm besteht ein Bestattungsrecht.
In Berlin, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern liegt die Grenze zur Bestattungspflicht bei Totgeborenen ebenso bei 1000 Gramm. Ist die jeweilige Gewichtsgrenze (bzw. in Hessen alternativ die 25. Schwangerschaftswoche) nicht erreicht, so bedeutet das zunächst nur, dass eine herkömmliche Bestattung nicht stattfinden muss. Daran schließt sich die Frage an, ob denn eine Bestattung auch in diesen Fällen erlaubt ist, bzw. die Eltern oder sonstige Angehörige einen Anspruch auf eine Bestattung haben.
Nach Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren haben nunmehr nahezu alle Bundesländer den Eltern des tot geborenen Kindes ausdrücklich ein Recht auf Bestattung des Körpers zugebilligt:
Die Hansestadt Bremen, Sachsen und Schleswig-Holstein schränken das Bestattungsrecht der Eltern für Fehlgeborene (= weniger als 500 Gramm und keine Lebenszeichen) dadurch ein, dass eine Bestattung nur dann zugelassen wird, wenn "eine (formlose) ärztliche Bestätigung darüber vorliegt, dass es sich um eine Fehlgeburt handelt".
Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen kennen eine 12-Wochen-Frist. Nur hinsichtlich Fehlgeborener und "Feten aus Schwangerschaftsabbrüchen nach der zwölften Schwangerschaftswoche" wird in Mecklenburg-Vorpommern der Einrichtung in der die Tot- oder Fehlgeburt erfolgte, eine Bestattungspflicht auferlegt, wenn nicht schon die Eltern für eine Bestattung sorgen. In Thüringen haben in diesen Fällen der bei der Geburt anwesende Arzt und die bei Geburt anwesende Hebamme die Pflicht, für eine würdige Bestattung zu sorgen.
In Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern (jedenfalls nach der zwölften Woche), Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein (jedenfalls bei Gewicht über 500 Gramm) und Thüringen gilt das Recht auf eine Bestattung auch für aus einem Schwangerschaftsabbruch stammende Leibesfrüchte. In Rheinland-Pfalz reicht bei einem Schwangerschaftsabbruch nicht der Wunsch des Vaters aus, die Mutter muss der Bestattung zustimmen.
In Nordrhein-Westfalen besteht sowohl bei Tot- als auch bei Fehlgeburten ein Bestattungsrecht, aber keine Bestattungspflicht.
Dass ihnen das Recht zusteht, ihren tot auf dieser Welt gekommenen Nachwuchs bestatten zu lassen, ist den Eltern oft nicht bewusst. Daher sind in die Bestattungsgesetze einiger Länder Hinweispflichten aufgenommen worden. So verpflichten Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in unterschiedlichen Formulierungen die (Leitung der) Einrichtung, in der die Geburt erfolgt, zum Hinweis auf die Bestattungsmöglichkeit gegenüber zumindest einem Elternteil. In Schleswig-Holstein gilt dies auch für Hebammen oder Entbindungspfleger, die bei der Geburt zugegen sind, in Niedersachsen für den bei der Fehlgeburt anwesenden Arzt. Die Hinweispflicht gilt auch in den Bundesländern, in denen eine solche grundsätzlich besteht, nicht immer für Leibesfrüchte aus Schwangerschaftsabbrüchen: so in Berlin und Brandenburg mangels Bestattungsrechts sowie in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Um Unstimmigkeiten zwischen den Elternteilen zu vermeiden, wird die Entscheidung über die Wahrnehmung des Bestattungsrechts in den Bundesländern grundsätzlich jedem Elternteil überlassen, so dass die Bestattung auch dann stattfinden kann, wenn sie nur von einem Elternteil verlangt wird. Die gesetzlichen Regelungen ermöglichen es den Eltern in der meisten Zahl der Fälle, eine Bestattung durchzuführen.
Defizite im Rechtsbereich der "Sternenkinder" gibt es immer noch insbesondere bei der Frage nach dem Umgang mit Fehlgeburten und Leibesfrüchten aus Schwangerschaftsabbrüchen, bei denen keine Bestattung durch die Eltern/Angehörigen stattfindet. Nur in einer Minderheit der Bundesländer sind diese ausnahmslos von den Einrichtungen, in denen die Geburt/der Schwangerschaftsabbruch stattfand ebenfalls beizusetzen, häufig ist von "beseitigen" die Rede, was der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts widersprechen dürfte, nach der mit der Nidation (ca. dem 5. oder 6. Tag nach der Befruchtung der Eizelle) der volle Schutz des Art. 1 GG, der Menschenwürde einsetzt.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass aus rechtlicher Sicht in allen Bundesländern für alle Fehlgeborenen ein Rechtsanspruch auf Bestattung für die Eltern besteht.
In der Praxis setzt sich das Recht zur Bestattung auch von Fehl- und Ungeborenen (Leibesfrüchten aus Schwangerschaftsabbrüchen) langsam aber sicher länderübergreifend durch. Die Vorschriften zum Umgang mit den Fehl-, Totgeburten und Ungeborenen, die nicht von Ihren Eltern bestattet werden, sind großenteils aber immer noch überarbeitungsbedürftig, ebenso besteht bei den Ungeborenen in den meisten Bundesländern noch Verbesserungsbedarf.