Die digitale Trauerfeier - Neuland in Deutschland
Ein Bericht des Trauerredners Dirk R. Schuchardt
Die Corona-Pandemie hat auch ihr Gutes: Sie befördert technische Entwicklungen in Bereichen, die bislang nicht offensichtlich zueinander passen wollten. Auch Trauerfeiern bleiben von dieser Entwicklung nicht unberührt. Dabei hat Deutschland, anders als beispielsweise unsere niederländischen Nachbarn, noch "Lernfelder" in Sachen digitale Trauerfeier.
Wer in die Niederlande fährt, findet in den Krematorien, beispielsweise in Doetinchem oder Venlo, eine andere Welt vor: Keine kalte Trauerhalle, mit ihren beeindruckenden Deckenhöhen, sondern eine vertraute Wohnzimmeratmosphäre heißt die Trauernden dort willkommen. Statt auf harten Bänken, nimmt man dort auf bequemen Sesseln oder Bänken Platz.
Auf der anderen Seite des Trauersaals bieten sich Trauerrednern verschiedene digitale Möglichkeiten, die Trauerfeier zeitgemäß zu gestalten. Die Musik kommt schon lange nicht mehr vom Band. Trauerredner können sich per Smartphone via Bluetooth mit der Musikanlage verbinden und die Musikwünsche direkt vom Rednerpult aus bedienen. In Deutschland kommt die Musik noch vielfach von CD, die von einem Mitarbeiter zum rechten Zeitpunkt abgespielt und gestoppt werden muss. Die Untermalung der Trauerfeier mit einer Fotoshow aus dem Leben des Verstorbenen ist dank Monitoren und Videobeamern kein Problem. In Deutschland muss man sich mit einem großformatigen Porträtfoto des Verstorbenen begnügen.
Weit vor der Corona-Pandemie waren die Niederländer ganz vorn mit dabei, wenn es darum ging, ortsabwesende Hinterbliebene in die Trauerfeier einzubinden. Mit Hilfe einer festeingebauten Videoanlage kann die Trauerfeier aufgezeichnet und sogar live gestreamt werden, so dass auch Freunde und Verwandte aus der ganzen Welt Teilhaben können. Gerade während der Corona-Pandemie zeigt sich hier der Vorteil der digitalen Technik, können doch aufgrund von Einreisebeschränkungen Gäste aus dem Ausland nicht mal eben anreisen.
Doch man muss nicht in Kontext einer Pandemie denken: Wer durch Alter oder Krankheit nicht reisen kann, kann oft nur in Gedanken an einer Trauerfeier teilhaben. Das ändert sich nun auch in Deutschland: Live-Streaming beispielsweise per ZOOM ermöglicht nun auch, von jedem Krankenbett aus, Teil der Feier sein zu können. Dabei funktioniert die Videokonferenz in beide Richtungen: Auch Trauergäste aus der Ferne können Redebeiträge leisten und sich aktiv an der Gestaltung der Trauerfeier beteiligen.
Aber Deutschland sind nun mal nicht die Niederlande. Aber immerhin zeigen sich einige Kommunen offen für die neuen Möglichkeiten in Trauerhallen. So hat 2021 der Krefelder Hauptfriedhof Bluetooth bekommen. Der Waldfriedhof in Duisburg verfügt seit 2022 über WLAN, welches unverzichtbar für eine stabile Bildübertragung ist. Monitore oder Leinwände in Trauerhallen sind nicht vorgesehen. Und anderswo? Trauerredner aus ländlichen Gebieten in Ostdeutschland berichten, dass sie schon froh wären, wenn es Licht oder eine Heizung gäbe. Von den digitalen Möglichkeiten unserer niederländischen Nachbarn wagen sie nicht mal zu träumen.
Die Bestattungskultur steht nicht unbedingt im Verdacht, jeden neuen Trend mitzumachen. Anpassungen an die technischen Möglichkeiten treffen oft erst mit Verzögerung ein und dann auch noch auf Vorbehalte. Die Vorstellung, dass die Trauerfeier und damit auch die eigene Trauer gestreamt oder aufgezeichnet wird, behagt nicht jedem. Die Notwendigkeit, die Trauerzeremonie mit Fotos und Videos aus dem Leben des Verstorbenen zu untermalen, mag sich nicht jedem erschließen. Und warum Musik nun aus der Konserve und nicht live vorgetragen wird, kann auch nicht jeder verstehen. Und dennoch: Nicht alles was im 21. Jahrhundert möglich ist, muss auch gemacht werden, damit eine Trauerfeier und damit auch ein guter Abschied von einem verstorbenen Menschen gelingt. Doch wer will sich hier zum Richter darüber aufschwingen, was angemessen ist und was nicht?
Richtschnur sind immer die Wünsche der Hinterbliebenen. Einem geliebten Menschen nicht das letzte Geleit geben zu können, wiegt schon schwer genug. Dort wo die digitale Technik ein Anteilnehmen aus der Ferne ermöglicht, sollte sie auch vorhanden sein und genutzt werden können.
Die kommunalen Friedhöfe hinken der Entwicklung offensichtlich hinterher. Dort, wo Bestatter aber eigene Abschiedsräume zur Verfügung stellen, ist die technische Aufrüstung kein Problem. Motor für eine flächendeckende Ausstattung mit Streaming, Aufzeichnung und Präsentationstechnik sind die Wünsche der Hinterblieben. Können diese nicht erfüllt werden, freuen sich unsere Nachbarn in den Niederlanden über neue Kunden. Eine digitale Trauerfeier ist dort nämlich schon lange kein "Neuland" mehr.
Dirk R. Schuchardt ist Freier Trauerredner in Duisburg und bietet zusätzlich Streaming und Aufzeichnung von Trauerfeiern an.