Gericht bestätigt Anspruch auf Sozialhilfe für Bestattung des Vaters

Verweis auf andere Angehörige durch das Sozialamt war nicht zulässig

Justitia-Statue mit verbundenen Augen und Waage in der Hand

In einem aktuell veröffentlichten Berufungsurteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein wird der Sozialhilfeträger zur Erstattung eines Großteils der Kosten für die Bestattung des Vaters des Klägers verpflichtet. Damit wird das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Itzehoe bestätigt, obwohl noch andere Angehörige als vorrangig kostentragungspflichtig in Betracht kamen. Das Landessozialgericht urteilte, für einen Verweis auf andere vorrangige Zahlungspflichtige hätten deren Existenz und Identität endgültig feststehen müssen.

In dem zugrundeliegenden Fall hinterließ der Verstorbene drei Kinder, die ebenso wie dessen beiden Schwestern das Erbe ausschlugen. Nach den Feststellungen des Gerichts stand bei Erlass des Berufungsurteils jedoch noch nicht fest, wer letztendlich Erbe des Verstorbenen geworden ist. Die Enkel (und eventuelle Urenkel) hätten das Erbe noch nicht ausgeschlagen, dies sei aber noch möglich. Der einkommens- und vermögensarme Kläger hatte (als einer von mehreren Bestattungspflichtigen) die Bestattung veranlasst. Ihm wurden daher die Bestattungskosten ebenso wie später die Friedhofsgebühren in Höhe von rund 3.000 Euro in Rechnung gestellt. Unstreitig hatte sich der Kläger darum bemüht, diese Bestattungskosten von seinen Geschwistern anteilig ersetzt zu bekommen. Auch hatte er die Erstattung sämtlicher Bestattungskosten bei dem beklagten Sozialhilfeträger zunächst erfolglos beantragt. In der ersten Instanz verpflichtete das Sozialgericht Itzehoe den Sozialhilfeträger vor diesem Hintergrund zur Erstattung von zwei Drittel der Bestattungskosten. Der Kläger wurde dabei als Bestattungspflichtiger als kostentragungspflichtig für die Bestattungskosten angesehen, weshalb ihm für seinen Anteil die Kosten vom Sozialamt zugesprochen wurden. Bei einer seiner beiden Schwestern nahm das Gericht aufgrund deren wirtschaftlichen Lage an, dass ein (durchsetzbarer) Erstattungsanspruch des Klägers ihr gegenüber zweifelhaft wäre. Ihm sei daher nicht zumutbar, den Anteil bei dieser Schwester einzuklagen. Folglich sei diesbezüglich Sozialhilfe zu leisten. Die andere Schwester sei aber offensichtlich leistungsfähig und es sei dem Kläger zumutbar seinen Erstattungsanspruch in Höhe von knapp 1.000 Euro (dem übrigen Drittel) dieser gegenüber geltend zu machen. Daher wurde in der ersten Instanz für diesen Teil eine Kostenerstattung durch das Sozialamt abgelehnt.

Nur der beklagte Sozialhilfeträger legte gegen das Urteil Berufung ein. Seiner Ansicht nach seien wahrscheinlich beide Schwestern leistungsfähig. Außerdem sei fraglich, ob der Antragsteller zur Kostentragung letztendlich verpflichtet sei, weil es noch mögliche Erben gäbe, die noch nicht ausgeschlagen hätten. Erben hätten aber grundsätzlich vorrangig für die Bestattungskosten aufzukommen.

Das Landessozialgericht nahm in seinem Berufungsurteil hingegen an, dass ein Verweis auf vorrangig Verpflichtete – also hier die potentiellen Erben – höchstens dann in Betracht käme, wenn die Existenz und die Identität dieser bereits endgültig und unwiderruflich feststehe. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck des § 74 SGB XII. Diese Vorschrift solle eine würdige Bestattung des Verstorbenen gewährleisten, indem die an sich Kostentragungsverpflichteten mittels Sozialhilfe entlastet würden. Diesen Zweck könne die Vorschrift aber nur dann erfüllen, wenn der Verpflichtete bei Veranlassung der Bestattung sicher einschätzen könnte, ob er den sozialhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruch hat. Der Zweck des § 74 SGB XII würde hingegen verfehlt, wenn - wie in Fällen der gesetzlichen Erbfolge bei dürftigem Nachlass typisch - über viele Jahre Unklarheit darüber bestehen würde, wer als potentieller Erbe die Bestattungskosten zu tragen hätte.

Dem Kläger könnten nach Auffassung des Landessozialgerichts auch denkbare Ausgleichsansprüche gegenüber seiner zweiten Schwester nicht entgegengehalten werden. Anders wäre dies lediglich in extremen Ausnahmefällen zu beurteilen, wie wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühung verschließt oder Ansprüche ohne weiteres realisierbar wären. Eigenen Bemühungen verschließe sich, wer noch nicht einmal den Versuch einer außergerichtlichen Geltendmachung von Erstattungsansprüchen unternehme. Hier habe der Kläger aber unstreitig versucht die Kosten von seiner Schwester zu erlangen.

Aeternitas-Anmerkung:

Das Urteil ist zu begrüßen. Ein Aspekt hätte noch (wenigstens im Ansatz) beleuchtet werden können: Denn wenn mehrere Angehörige ausschlagen, ist meist von einem dürftigen Nachlass auszugehen. Dann kann derjenige, der das Erbe annimmt, regelmäßig seine Haftung auf den vorhandenen Nachlass nach § 1990 BGB beschränken. Das bedeutet, dass ein Anspruch auf Bestattungskostenerstattung gegenüber den Erben – sofern sie die notwendigen Formalitäten einhalten – in diesen Mangelfällen faktisch nicht durchsetzbar ist. Dies führt dazu, dass ein Erbe vorhanden sein kann, der aber nicht als kostentragungspflichtig anzusehen ist.

(Quelle: Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 25.09.2019, Az.: L 9 SO 8/16)