Sozialbestattung: Anspruch auf Bestattungskosten trotz Erbausschlagung

Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg

Justitia-Statue mit verbundenen Augen und Waage in der Hand

In einem Rechtsstreit hinsichtlich der Übernahme von Bestattungskosten durch das zuständige Sozialamt hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Mai 2024 die Ausschlagung einer Erbschaft im Rahmen einer Sozialbestattung (§ 74 SGB XII) für zulässig und wirksam erklärt. Das Sozialamt musste der Klägerin die erforderlichen Kosten der Bestattung ihres Ende 2022 verstorbenen Ehemannes erstatten. Die Klägerin wohnte seit 2015 getrennt von ihrem Ehemann in einem Senioren- und Pflegeheim und bezog Sozialleistungen. Die Ehe war kinderlos und weitere Erben waren nicht bekannt. Der Kontostand des Girokontos des verstorbenen Ehemanns der Klägerin betrug zwar zuletzt 2.280,86 Euro. Am 11.01.2023 erklärte die Betreuerin der Klägerin dennoch, dass sie die Erbschaft für die Klägerin wegen vermuteter Schulden des Verstorbenen ausschlage. Zudem beantragte die Klägerin, vertreten durch ihre Betreuerin, die Übernahme der Kosten für die Bestattung des Ehemannes durch das Sozialamt. Die Kosten betrugen insgesamt 2.313,00 Euro.

Die zuständige Sozialbehörde bewilligte der Klägerin jedoch lediglich einen Zuschuss zu den Bestattungskosten in Höhe von 32,14 Euro. Zur Begründung führte die Behörde aus, dass den erforderlichen Bestattungskosten in Höhe von 2.313,00 Euro ein Nachlass in Höhe von 2.280,86 Euro Kontoguthaben gegenübergestanden habe. Den Nachlass, so die Behörde, hätte die Klägerin vorrangig einsetzen müssen, um die Bestattungskosten auszugleichen. Somit stünde ihr nur die Differenz von 32,14 Euro zu. Die Klägerin und ihre Betreuerin waren jedoch der Ansicht, dass das Kontoguthaben des verstorbenen Ehemannes zu Unrecht berücksichtigt wurde, da die Erbschaft mit betreuungsrechtlicher Genehmigung wirksam ausgeschlagen wurde.

Das LSG Baden-Württemberg bestätigte zu Gunsten der Klägerin, dass diese Anspruch auf Zahlung weiterer 2.280,86 Euro hatte. Die Klägerin war als Ehefrau gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 BestattG BW zur Bestattung ihres verstorbenen Ehemannes verpflichtet. Die erforderlichen Kosten für die Bestattung beliefen sich auf 2.313,00 Euro. Gemäß § 74 SGB XII waren vom zuständigen Sozialamt die erforderlichen Kosten der Bestattung zu übernehmen, da der Klägerin nicht zumutbar war, die Kosten zu tragen. Sie bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und hatte kein sonstiges Vermögen. Maßgeblich für eine Bewilligung einer sogenannten Sozialbestattung sind die Verhältnisse zu dem Zeitpunkt, an dem die Forderungen für die Bestattungsleistung fällig werden. Es kommt zu diesem Zeitpunkt darauf an, welches Einkommen oder Vermögen als sogenanntes "bereites Mittel" dem bestattungspflichtigen Antragsteller zur Verfügung steht. Der Nachlass des verstorbenen Ehemannes der Klägerin wurde zu Unrecht berücksichtigt, denn der Nachlass stand der Klägerin nicht als "bereites Mittel" zur Verfügung. Die Betreuerin hatte die Erbschaft wirksam ausgeschlagen. Wird eine Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Erbfall an den Ausschlagenden gemäß § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt; und zwar rückwirkend. Der Ausschlagende ist, so das LSG Baden-Württemberg, so zu behandeln, als sei er nie Erbe geworden. Daher sei es bei tatsächlich erfolgter Ausschlagung einer Erbschaft nicht möglich, einen ein Erbe ausschlagenden Antragsteller sozialhilferechtlich bei Berücksichtigung seines Vermögens so zu stellen, als habe er das Erbe erhalten.

Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.05.2024, Az. L 2 SO 2100/23