Sozialbestattung: Kein Ausschluss durch Verweis auf vorrangig Bestattungspflichtige
Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern

Das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern hat im Dezember 2024 in einem Urteil klargestellt, dass einem Anspruchsberechtigten auf Sozialbestattung gemäß § 74 SGB XII nicht unter Verweis auf vorrangig Bestattungspflichtige die beantragte Leistung verwehrt werden kann.
Im vom LSG Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Rechtsstreit war die Lebensgefährtin des Klägers verstorben. Da der Kläger Leistungen gemäß SGB XII in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt erhielt, stellte er einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten durch das Sozialamt. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass nur die Tochter der Verstorbenen antragsberechtigt sei, weil sie vorrangig zur Bestattung verpflichtet sei. Einige Monate später teilte der Rechtsanwalt des Klägers der Behörde mit, dass nicht die Tochter der Verstorbenen, sondern der Kläger die Bestattung organisiert habe. Im April 2016 wurde dennoch der Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten gemäß § 74 SGB XII abgelehnt. Zur Begründung wurde weiterhin auf die Stellung der Tochter als vorrangig Bestattungspflichtige gemäß § 9 Bestattungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (BestattG MV) verwiesen.
Gegen den Ablehnungsbescheid reichte der Kläger nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren Klage ein. Er begründete die Klage damit, dass sich die Tochter nicht um die Beerdigung gekümmert habe und er diese als weiterer Bestattungspflichtiger habe organisieren müssen. Die verklagte Behörde war jedoch der Ansicht, dass der Kläger wegen des Nachrangs der Sozialhilfe zunächst verpflichtet war, seine Ansprüche gegen die Tochter geltend zu machen. Der Kläger führte hierzu aus, dass die Schwester der Verstorbenen sich geweigert hätte, die Anschrift der Tochter der Verstorbenen mitzuteilen.
Das LSG Mecklenburg-Vorpommern stellte in seinem Urteil zu Gunsten des Klägers klar, dass dieser ebenfalls Bestattungspflichtiger gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 8 BestattG MV war und somit auch anspruchsberechtigt gemäß § 74 SGB XII. Denn das Bundesverwaltungsgericht sieht als Verpflichteten denjenigen an, „der der Kostentragungspflicht von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft“ (BVerwG, Urteil v. 30.05.02, Az. 5 C 14.01). Im Ergebnis war die Bestattungspflicht des Klägers auch nicht durch die vorrangige Pflicht der Tochter der Verstorbenen über § 9 Abs. 2 Nr. 3 BestattG MV ausgeschlossen. Der Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 74 SGB XII kann und darf deshalb nicht durch Verweis auf einen vorrangig Bestattungspflichtigen ausgeschlossen werden. Der Anspruch gemäß § 74 SGB XII wird auch nicht durch die Pflicht von Erben gemäß § 1968 BGB, letztendlich die Kosten einer Bestattung zu tragen, ausgeschlossen (BSG, Urteil v. 12.12.23, Az. B 8 SO 20/22 R).
Der grundsätzlich anzuerkennende Anspruch des (nachrangig) bestattungspflichtigen Klägers gemäß § 74 SGB XII gegen das Sozialamt wurde jedoch nach Ansicht des Gerichts wegen vom Kläger zu verantwortender „Zumutbarkeit“ ausgeschlossen. Das Gericht führte hierzu aus, dass die Kontaktaufnahme zur Schwester der Verstorbenen nicht als ernsthafter Versuch im Hinblick auf eine Kostenerstattung angesehen werden konnte. Denn der Anwalt des Klägers hatte in dem Schreiben an die Schwester lediglich auf das Bestattungsgesetz hingewiesen, jedoch nicht auf die zivilrechtlichen und berechtigten Ansprüche des Klägers auf die Kostenerstattung. Deshalb lag, so das Gericht, kein ernsthaftes Bemühen des Klägers hinsichtlich einer Kostenerstattung vor. Dem Kläger war es deshalb nach Ansicht des Gerichts wegen der Nachlässigkeit seines Anwalts zumutbar, die Bestattungskosten selbst zu tragen; dies obwohl er zum Zeitpunkt der von ihm organisierten Bestattung selbst Leistungen gemäß SGB XII bezog und Anspruchsberechtigter im Sinne von § 74 SGB XII war.
Quelle: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 12.12.2024, Az. L 9 SO 18/18