Friedhofszwang

Leichname oder Totenasche müssen in Deutschland – bis auf wenige Ausnahmen – auf Friedhöfen beigesetzt werden. Aeternitas hält die bestehenden Vorschriften zumindest für Urnen oder Asche für nicht mehr zeitgemäß. Eine Abschaffung bzw. Lockerung dieses Zwangs entspricht zudem den Vorstellungen der Bevölkerung.

Der herrschende Friedhofszwang (auch Friedhofspflicht genannt) steht immer wieder in der Diskussion. Noch schreiben alle Bundesländer in ihren Bestattungsgesetzen vor, dass Särge und  Urnen/Asche auf Friedhöfen beigesetzt werden müssen. Erlaubte Ausnahmen davon sind nur die Seebestattung (von Urnen) auf dem Meer und Beisetzungen in speziell ausgewiesenen Bestattungswäldern (bei denen es sich rechtlich ebenso um Friedhöfe handelt).

Weitere Ausnahmen vom herrschenden Friedhofszwang sind zwar verfassungsrechtlich geboten. Doch entsprechende Regelungen sind so restriktiv gefasst, dass sie in der Praxis nur eine marginale Rolle spielen. Die Beisetzung auf privatem Grund wird bis auf wenige Einzelfälle nicht gestattet (nur Bremen zeigt sich hier liberaler, theoretisch auch Nordrhein-Westfalen). Ebenso wenig dürfen Urnen zuhause aufbewahrt oder darf die Asche in der freien Natur verstreut werden. Fast alle europäischen Länder sind hier weniger streng. Manche Bundesbürger nehmen deshalb Angebote im Ausland wahr, um die Urne oder Asche dort in der Natur beizusetzen oder zu verstreuen. Andere lassen sich im Ausland die Urne aushändigen, um sie (heimlich) mit nach Hause zu nehmen und den Friedhofszwang zu umgehen.

Aeternitas fordert, die bestehende Pflicht – zumindest für Urnen/Asche – abzuschaffen oder wenigstens zu lockern. Repräsentative Umfragen im Auftrag des Vereins zeigen deutlich, dass eine Mehrheit der Bundesbürger nicht mehr hinter dem Friedhofszwang für Urnen steht. So hielten 65 Prozent diesen bereits im Jahr 2013 für „eher“ bzw. „sehr veraltet“. Und im Jahr 2016 gaben 83 Prozent der Bundesbürger an, sie hätten kein ungutes Gefühl, wenn der Nachbar eine Urne im Garten oder Wohnzimmer aufbewahren würde.

Friedhöfe werden die zentralen Orte des Totengedenkens bleiben. Sie sollten bewahrt und weiterentwickelt werden. Der bestehende Friedhofszwang jedoch bevormundet die Menschen und widerspricht einem bürgerfreundlichen Verständnis von Erinnerungskultur. Auch eine Minderheit, die andere Erinnerungsformen fernab der Friedhöfe bzw. derzeit bestehender Möglichkeiten wünscht, sollte zu ihrem Recht kommen. Damit dies nicht ohne Zustimmung des Verstorbenen geschieht, könnte dessen nachweisbarer Willen zur Voraussetzung gemacht werden. Damit läge keine Verletzung der Totenwürde vor, denn der Wille des Verstorbenen entschiede über Art und Ort seiner Bestattung. Zu empfehlen ist, bei der Willensbildung die nächsten Angehörigen einzubeziehen, die mit der Entscheidung leben müssen.

Weitere Argumente sprechen gegen den Friedhofszwang. Warum sollte mit dem Tod das Recht enden, selbst zu entscheiden, ob man Besuch empfangen möchte? Es gibt auch keinen Beleg, dass jeder Mensch einen Ort zum Trauern bräuchte. Trauer ist individuell und lässt sich nicht in ein Schema pressen. Auch bei Seebestattungen kann kein Grab besucht werden, Ähnliches gilt für  anonyme Beisetzungen. Ebenso wäre ein von manchen befürchteter „unwürdiger“ Umgang mit der Asche Verstorbener kaum zu erwarten. Im Gegenteil: Wer bereit ist, zum Beispiel die Asche im eigenen Umfeld aufzubewahren, zeigt, dass ihm viel an einem guten Umgang mit den sterblichen Überresten liegt. Ob im Vergleich dazu ein anonymes Grab, das niemand besucht, eher die Würde des Verstorbenen wahrt?

Aeternitas e.V., November 2018