Sargzwang

Aeternitas plädiert für die Abschaffung des bisher geltenden Sargzwangs. Es spricht nichts dagegen, im Rahmen einer zeitgemäßen Bestattungskultur die Bestattung im Leichentuch zuzulassen - nicht nur aus religiösen Gründen. Traditionen und Wertvorstellungen haben sich stets gewandelt und verändern sich weiter.

Derzeit müssen in allen Bundesländern Verstorbene in einem Sarg transportiert und bestattet werden. Allerdings sehen außer in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt die jeweiligen Landesbestattungsgesetze Ausnahmen vom Sargzwang vor. Damit kommt man insbesondere den Menschen entgegen, die aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen eine Bestattung im Leichentuch bevorzugen. Dies betrifft etwa viele Muslime, von denen immer mehr in Deutschland bestattet werden.

Die Verfechter einer ausnahmslosen Sargpflicht berufen sich vor allem auf gewachsene Traditionen. Doch Traditionen und Wertvorstellungen haben sich stets gewandelt und verändern sich weiter. Was viele nicht wissen: Auch hierzulande war in manchen Gebieten noch bis ins 19. Jahrhundert eine sarglose Bestattung üblich. Darüber hinaus sollten sich die Gesetzgeber die Frage stellen: Was ginge verloren, wenn eine kleine Minderheit ihre Vorstellungen ausleben könnte, und wem würde dies schaden? Es ist darüber hinaus grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass sich die Mehrheit auch ohne bestehende Pflicht sehr bald ohne Sarg bestatten ließe. Auch würde ja niemand gezwungen, auf den Sarg zu verzichten. Überdies ist die sarglose Beisetzung auch in Deutschland mittlerweile vielerorts Praxis, ohne dass dies – mit Ausnahme der anfänglichen Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung – zu größeren Problemen geführt hätte.

Die Pflicht, einen Sarg zu verwenden, ist vor allem aus hygienischen Gründen entstanden. Dies ergibt beim Transport Verstorbener durchaus Sinn, weshalb hier der Sargzwang beibehalten werden kann. Allerdings könnte man auch über mehrfach verwendbare Transportsärge nachdenken. Für die Bestattung selbst könnte in vielen Fällen auf den Sarg verzichtet werden: Eine durchweg schlechtere Verwesung von Leichnamen ohne Sarg konnte bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden. Entscheidend sind im jeweiligen Einzelfall insbesondere die örtliche Bodenbeschaffenheit sowie die Kleidung des Verstorbenen.

Fragen der Menschen- und damit der Totenwürde berührt eine Abschaffung der Sargpflicht nicht, wenn eine Bestattung ohne Sarg aus religiösen Gründen oder auf Wunsch des Verstorbenen hin stattfindet. Gerade die Rücksichtnahme auf religiöse Vorstellungen bzw. das Umsetzen des Willens des Verstorbenen spiegeln einen würdigen Umgang mit den Verstorbenen wider.

Im Ergebnis sollte die Sargpflicht insgesamt für alle abgeschafft werden, nicht nur für Ausnahmefälle. Den Friedhofsträgern sollte weitergehend ermöglicht werden, sarglose Bestattungen immer dann zuzulassen, wenn sie dem Willen des Verstorbenen (bzw. seinen religiösen Überzeugungen) entsprechen. Die Berücksichtigung des Willens des Verstorbenen bietet darüber hinaus die Sicherheit, dass die Angehörigen bei der Bestattung nicht allein aus Kostengründen auf den Sarg verzichten. Ebenso wenig könnten Ordnungs- bzw. Sozialämter auf einer sarglosen Bestattung bestehen, wenn der entsprechende Wille nicht vorliegt.

Aeternitas e.V., November 2018