Ascheteilung als Ordnungswidrigkeit
Erschienen Dezember 2024

Es ist in Deutschland ein verbreiteter Wunsch von Angehörigen Verstorbener bzw. von Menschen, die sich zu Lebzeiten über ihre Bestattung Gedanken machen, Urnen mit der Asche außerhalb von Friedhöfen beizusetzen oder zu Hause aufzubewahren. Häufig wünschen sich Menschen auch, Anteile von Totenasche als Erinnerung aufzubewahren oder daraus Erinnerungsgegenstände anfertigen zu lassen.
Verschiedene Umfragen zeigen deutlich, dass eine Mehrheit hierzulande nicht mehr hinter dem Friedhofszwang für Urnen bzw. Totenasche steht. So ergab eine repräsentative, bundesweite Emnid-Umfrage (im Auftrag von Aeternitas) bereits im Jahr 2016, dass 83 Prozent der Befragten kein ungutes Gefühl hätten, wenn ein Nachbar in seinem privaten Bereich eine Urne beisetzt oder aufbewahrt. Eine deutlich überwiegende Mehrheit könnte also gut damit leben, wenn es vermehrt zu entsprechenden Beisetzungen käme. Im Jahr 2022 haben überdies laut einer ebenfalls repräsentativen, von Aeternitas beauftragten Forsa-Umfrage fast drei Viertel der Befragten (74 Prozent) den Friedhofszwang als veraltet und nicht mehr zeitgemäß angesehen. Dass die Entnahme geringfügiger Mengen von Totenasche für Miniatururnen, Amulette und andere Schmuckstücke eine weit verbreitete Praxis ist, ist bekannt. Bei diesem Thema waren nach einer weiteren repräsentativen, bundesweiten, von Aeternitas beauftragten Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2019 71 Prozent der Befragten der Ansicht, dass die Entnahme von geringen Mengen aus der Totenasche für Erinnerungsgegenstände erlaubt sein sollte. Doch ist dies in der Regel nach geltendem deutschen Recht nicht legal.
Denn in allen deutschen Bundesländern ist hinsichtlich der Bestattungsart der Feuerbestattung – wie auch bei der Erdbestattung – vorgesehen, dass die Beisetzung nur auf öffentlichen Friedhöfen und genehmigten privaten Bestattungsplätzen stattfinden darf. Darunter fallen auch die zahlreichen Bestattungswälder. Ausnahmen vom herrschenden Friedhofszwang sind zwar verfassungsrechtlich geboten. Doch entsprechende Regelungen sind so restriktiv gefasst, dass sie in der Praxis nur eine marginale Rolle spielen. Die Beisetzung auf privatem Grund wird bis auf wenige Einzelfälle nicht gestattet (nur Bremen zeigt sich hier liberaler, theoretisch auch Nordrhein-Westfalen). Eine Ausnahme stellt die Seebestattung auf Nord- und Ostsee dar. Fast alle europäischen Länder haben weitaus weniger strenge Regelungen beim Umgange mit der Asche Verstorbener.
Nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung und auch der bestattungsrechtlichen Literatur ist mit „Asche“ oder vergleichbaren Formulierungen die gesamte beim Einäscherungsvorgang entstandene Asche gemeint und daher auch vollständig beizusetzen. Dies hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2015 im Zusammenhang mit der Entwendung von Metallteilen aus den Verbrennungsrückständen im Krematorium jedenfalls so gesehen. Allerdings ging es hier nur um strafrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Delikt „Störung der Totenruhe“ nach § 168 Strafgesetzbuch. Eine Übernahme dieser Rechtsprechung auf den Begriff „Asche“ wie er in den landesrechtlichen Bestattungsgesetzen verwendet wird, ist aber rechtlich nicht zwingend. Dennoch wird dies vielfach so gesehen und in der Folge auch die Entnahme von Ascheanteilen als rechtswidrig angesehen.
Aufgrund dieser juristischen „Grauzone“ umgehen Angehörige Verstorbener immer wieder diese bestattungsrechtlichen Bestimmungen, indem sie sich die Asche eines Verstorbenen (wieder) über das Ausland aushändigen lassen. Rechtlich betrachtet liegt dann dennoch nicht bestattete Totenasche vor. Weil grundsätzlich die Asche eines Verstorbenen zusammen mit einem bereits vor der Verbrennung dem Sarg beigegebenen Schamottestein in eine Aschekapsel gefüllt wird, ermöglicht der nummerierte Schamottestein die Zuordnung zu einem bestimmten Verstorbenen. Auch auf dem Deckel der Aschekapsel findet sich regelmäßig der Name des Verstorbenen sowie des Krematoriums zusammen mit dem Datum der Einäscherung. Ohne Schamottestein und Deckel ist es demgegenüber nicht möglich, die Asche eines Verstorbenen einer bestimmten Person zuzuordnen.
Allein eine nicht mögliche Zuordnung lässt jedoch den geltenden Friedhofszwang nicht entfallen. Daher ist die Beisetzung auch in derartigen Fällen mit „Auslandsbezug“ behördlich durchsetzbar. Die Beisetzungspflicht für die Totenasche wird auch auf legal im Ausland aus Totenasche hergestellte Erinnerungsdiamanten oder sonstige Erinnerungsgegenstände, die unter Verwendung von Asche hergestellt wurden, erweitert. Damit dürften auch diese im Falle eines Imports auf einem Friedhof beizusetzen sein. Doch kann dies mit Recht angezweifelt werden. Denn rechtlich handelt sich nach der Transformation von Totenasche, beispielsweise in einen Diamanten, nicht mehr um „Asche“ im Sinne der deutschen Bestattungsgesetze.
Dass die jeweils zuständige Ordnungsbehörde bei einer nicht erfolgten Beisetzung darauf bestehen kann, dass eine solche ordnungsgemäß nachgeholt wird, stellt praktisch das größte Problem für die Angehörigen dar, die den Friedhofszwang umgehen wollen. Daneben drohen jedoch auch Bußgelder wegen einer Ordnungswidrigkeit, die die Nicht-Bestattung von Totenasche oder die Nicht-Beachtung der Friedhofspflicht in vielen Bundesländern darstellt. Zwar verjähren nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG Ordnungswidrigkeiten, die mit einer maximalen Geldbuße belegt sind, innerhalb von einem halben Jahr. Allerdings beginnt die Verjährung erst, wenn die „Handlung beendet ist“. In den Fällen einer Verstreuung oder Beisetzung von Totenasche in der Natur oder in einem eigenen Garten ist davon auszugehen, dass die Handlung mit der Verstreuung bzw. Beisetzung beendet ist. Somit dürfte sechs Monate später die Verjährung eintreten. Bei der Aufbewahrung einer Urne zu Hause handelt es sich jedoch um eine nicht ausgeführte Beisetzung. In Bezug auf eine mögliche Verjährung lässt sich allerdings argumentieren, dass die Verjährungsfrist mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes zu laufen beginnt. Als Fälligkeitszeitpunkt für eine Aschenbeisetzung ist der Ablauf der in den Bestattungsgesetzen der Bundesländer unterschiedlich bestimmten Beisetzungsfrist anzusehen. Somit könnte nach Ablauf von sechs Monaten nach Ablauf der landesrechtlichen Beisetzungsfrist eine unterlassene Beisetzung ordnungsrechtlich verjährt sein. Werden in diesem Zeitraum keine die Verjährung unterbrechenden Maßnahmen durch die zuständige Behörde (beispielsweise Vernehmung eines Betroffenen) unternommen, wäre unter dieser Voraussetzung eine unterlasse Beisetzung zumindest nicht mehr mit einem Bußgeld zu belegen.