Implante aus Einäscherungen

Erschienen Juni 2024

Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Strafbarkeit der Entnahme von Zahngold nach einer Kremation (BGH, Urteil v. 30.06.2015, Az. 5 StR 71/15) wegen Störung der Totenruhe wurde in Fachkreisen teilweise die Ansicht vertreten, dass nach einer Kremation Zahngold und andere Implantate grundsätzlich nicht (mehr) entnommen werden dürfen, sondern in die Aschekapsel einzubringen und mit der Totenasche beizusetzen sind. Der BGH hatte das Zahngold hier als Teil der „Asche“ im Sinne des § 168 Abs. 1 StGB („Störung der Totenruhe“) eingestuft. Dazu gehörten nach Ansicht der Richter sämtliche nach der Einäscherung verbleibende Rückstände, d.h. auch die vormals mit einem Körper fest verbundenen, nicht verbrennbaren Bestandteile. Bereits zuvor hatte das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG Nürnberg, Urteil v. 20.11.2009, Az. 1 St OLG Ss 163/09) einen strafbaren Verwahrungsbruch gemäß § 133 Abs. 1 StGB angenommen, als Mitarbeiter eines Krematoriums sich Zahngold eines Verstorbenen angeeignet hatten.

Nach § 168 Abs.1 StGB macht sich strafbar, wer die Asche eines verstorbenen Menschen unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten wegnimmt. Entsprechend dem oben genannten Urteil des BGH muss man derzeit praktisch davon ausgehen, dass Strafgerichte auch Zahngold und Implantate als Asche im Sinne des § 168 StGB einstufen. Zu betonen ist hier allerdings, dass die Richter des BGH eine unbefugte Entnahme zu bewerten hatten. Strafbar ist gemäß § 168 Abs. 1 StGB auch, wenn jemand beschimpfenden Unfug an der Totenasche verübt. Beschimpfenden Unfug stellt ein Verhalten dar, das gegenüber einem Verstorbenen ein besonderes Maß an Pietätlosigkeit, Missachtung, Rohheit erkennen lässt (BGH, Urteil v. 24.02.1981, Az. 1 StR 834/30). Dies dürfte bei einer ungenehmigten Wegnahme von Zahngold oder Implantaten der Fall sein, auch wenn man hierin keine Bestandteile der Asche sieht.

Trotz dieser strafrechtlichen Bewertung kann aber die Entnahme von Zahngold oder Implantaten nach einer Kremation durchaus juristisch zulässig sein. Nach der herrschenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung werden Zahngold und die mit einem menschlichen Körper fest verbundenen Implantate bzw. Körperersatzstücke als Körperbestandteile durch Einäscherung und der damit verbundenen Trennung vom Körper, eigenständige Sachen im Sinne des § 90 BGB („Begriff der Sache“). Zahngold, Implantate bzw. Körperersatzstücke gehören allerdings nicht zur Erbmasse, sondern sind nach Trennung vom menschlichen Körper herrenlose bewegliche Sachen im Sinne des § 958 BGB („Eigentumserwerb an beweglichen herrenlosen Sachen“). Die Totensorgeberechtigten, also die nächsten Angehörigen, haben aber nach der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ein Aneignungsrecht gemäß § 958 BGB, welches bei Ausübung den Eigentumserwerb an diesen herrenlosen Sache herbeiführt.

Nach einer Kremation können Betreiber eines Krematoriums oder Bestatter an herrenlosem Zahngold und Implantaten gemäß § 958 Abs. 1 BGB durch Inbesitznahme rechtmäßig Besitz und Eigentum erwerben. Dies ist nur ausgeschlossen, wenn die Aneignung gesetzlich verboten ist oder wenn das Aneignungsrecht eines vorrangig Berechtigten verletzt wird (§ 958 Abs. 2 BGB). Ein Betreiber eines Krematoriums oder auch ein Bestatter ist deshalb nur dann zur Aneignung berechtigt, wenn ein vorrangiger Aneignungsberechtigter dem auch zustimmt.

Vorrangig Berechtigter ist zunächst, wer zur Totensorge berechtigt ist. Dies ist an erster Stelle derjenige, der vom Verstorbenen mit der Bestimmung von Art und Ort der Bestattung und deren Durchführung im Rahmen der Wünsche des Verstorbenen betraut worden ist. Im Übrigen sind dies die nächsten Angehörigen. Wenn Totensorgeberechtigte und der Betreiber eines Krematoriums oder ein Bestatter einig darüber sind, dass Zahngold oder Implantate nicht der Bestattung zugeführt werden sollen, stellt eine Entnahme aus der Asche keine strafbare Handlung dar. Die Strafbarkeit der Aneignung von Zahngold oder Implantaten durch den Betreiber eines Krematoriums oder einen Bestatter entfällt damit immer dann, wenn Totensorgeberechtigte dieser Handlung zustimmen.

Nach einer Rechtsauffassung sollen auch Erben ein Aneignungsrecht bezüglich Zahngold und Implantaten haben. Somit sollte auf jeden Fall von den Totensorgeberechtigten und wenn möglich von mit diesen nicht identischen Erben eine Zustimmung eingeholt werden. Fehlt eine Zustimmung der Totensorgeberechtigten, könnten diese unter Umständen Schadenersatzansprüche und Schmerzensgeld geltend machen.

Zahngold und Implantate unterliegen, außer in der Hansestadt Hamburg, nicht der Bestattungspflicht. Bestattungszwang besteht für die Asche und den pulverigen Rückstand der Knochen nach Einsatz einer „Knochenmühle“ im Krematorium. Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn im Bestattungsgesetz eines Bundeslandes auch eine Beisetzungspflicht für Implantate angeordnet wurde. Dies ist bislang nur in Hamburg in § 14 Abs. 2 BestattG Hamburg geregelt. Denn dort ist „die Asche jeder Leiche einschließlich aller nicht verbrennbaren Rückstände im Krematorium in ein zu verschließendes Behältnis (Urne) aufzunehmen“. Zum Beispiel in Brandenburg (§ 23 Abs. 5 S. 3 BestG Bbg) und in Niedersachsen (§ 12 Abs. 3 S. 4 BestG Nds) wurden hingegen Implantate von der Beisetzungspflicht explizit ausgenommen, um mögliche Unklarheiten zu beseitigen.

Interessant in diesem Zusammenhang: Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg in Stuttgart hat in einem Urteil im November 2023 klargestellt, dass wertvolle metallische Rückstände nach Einäscherung eines Verstorbenen als Sachspende eingestuft werden können, wenn eine entsprechende Einwilligung der hierzu Berechtigten vorliegt (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.11.23, Az. 10 K 2671/20).

In dem vom Gericht entschiedenen Rechtsstreit war zu klären, ob nach der Einäscherung eines Verstorbenen in der Asche verbliebene metallische Rückstände als steuerpflichtige Betriebseinnahmen eines Krematoriums einzustufen sind, wenn die Angehörigen keine Herausgabe verlangen.

Es hatten sich allein in einem Jahr Einnahmen in Höhe von 307.751,51 Euro aus der Verwertung von Edelmetall enthaltenen Kremationsrückständen ergeben, welche das zuständige Finanzamt als steuerpflichtigen Gewinn einstufte. Das FG Baden-Württemberg kam jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich bei den 307.751,51 Euro nicht um zu versteuernde Betriebseinnahmen handelte. In einem Kremationsprozess gewonnene und von den Totensorgeberechtigten zur Verwertung für karitative Zwecke überlassene metallische Rückstände sind nach Ansicht des Gerichts als Spenden einzustufende unentgeltliche Sachzuwendungen.

Denn Betriebseinnahmen sind, so das Gericht, entsprechend § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch einen Betrieb veranlasst sind. Das ist auch für Sachleistungen anzunehmen (BFH-Urteil vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607, Rn. 9). Bei wertvollen metallischen Kremationsrückständen handelt es sich aber dennoch um Sachspenden der Totensorgeberechtigten an das beauftragte Krematorium, wenn eine entsprechende Vereinbarung vorliegt.

Im entschiedenen Rechtsstreit wurden die Totensorgeberechtigten bei Erteilung des Auftrags zur Einäscherung über die Möglichkeit der Verwertung der metallischen Rückstände der Feuerbestattung zu karitativen Zwecken aufgeklärt. Die Berechtigten erklärten dann schriftlich ihre Einwilligung, dass der Verwertungserlös aus diesen Rückständen für karitative Zwecke verwendet werden sollte. Eine zu versteuernde Betriebseinnahme lag deshalb unter Gesamtwürdigung aller Umstände nicht vor.