Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten gemäß § 74 SGB XII trotz Kostenhaftung der Erben

Sozialgericht München sieht Regress bei vermögenslosen Erben als unzumutbar an

Das Sozialgericht München hat im November 2023 per Urteil klargestellt, dass die Bestattungspflicht und Kostentragungspflicht von Angehörigen im Kontext einer sog. Sozialbestattung eine Frage der Zumutbarkeit ist. Auch mittellose Bestattungspflichtige sollen sich zwar regelmäßig wegen der Bestattungskosten an die Erben wenden. Das ist aber nicht zumutbar, so das SG München, wenn der Nachlass überschuldet ist und die Erben vermögenslos sind.

Die Klägerin, die Ehefrau des Verstorbenen, hatte die Bestattung nach dessen Tod in Auftrag gegeben. Sie erhielt hierfür vom (städtischen) Bestattungsunternehmen eine Rechnung über insgesamt 2.892,- €, davon 1.106,- € für Bestattungsleistungen und 1.786,- € Friedhofsgebühren. Die Klägerin, die kein Vermögen besaß, Grundsicherung im Alter gemäß SGB XII erhielt und zudem die Erbschaft ausgeschlagen hatte, beantragte Übernahme der Kosten beim zuständigen Sozialamt. Als weitere Verwandten waren die nicht gemeinsamen Kinder des Verstorbenen vorhanden. Diese schlugen die Erbschaft aber ebenfalls aus. Lediglich zwei minderjährige Enkelinnen des Verstorbenen waren wegen Versäumung der Erbausschlagungsfrist zu Erben geworden.

Das Sozialamt lehnte die Übernahme der Bestattungskosten der Klägerin ab. Als Ehefrau sei die Klägerin gemäß bayerischem Bestattungsgesetz zur Durchführung der Bestattung verpflichtet und habe dabei auch die Kosten zu tragen. Allerdings seien die Erben gemäß § 1968 BGB vorrangig zur Kostentragung verpflichtet. Der Antrag sei deshalb abzulehnen, weil die Klägerin einen Anspruch gegen die Erben auf Ersatz der Bestattungskosten habe.

Das Gericht entschied jedoch zu Gunsten der Klägerin. Die verklagte Behörde war verpflichtet, der Klägerin die Bestattungskosten in Höhe von 2.892,- € zu zahlen. Zwar war die Klägerin als Ehefrau des Verstorbenen verpflichtet, für die Bestattung zu sorgen, obwohl gemäß § 1968 BGB letztendlich Erben die Kosten einer Bestattung tragen. Das Verhältnis der Bestattungspflicht nach dem Bestattungsgesetz zur Kostentragungspflicht der Erben ist aber auch eine Frage der Zumutbarkeit.

Der Klägerin war es im Ergebnis - so das Sozialgericht - nicht zumutbar, die Kosten der Bestattung zu tragen. Denn die Zumutbarkeit orientiert sich vor allem an den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Verpflichteten. Bei Personen, welche Leistungen für den Lebensunterhalt nach SGB XII beziehen, ist regelmäßig von einer Unzumutbarkeit der Kostentragung auszugehen (so auch BSG, Urteil v. 04.04.2018, B 8 SO 10/18 R). Die Klägerin stand zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Bestattungskosten im laufenden Bezug von Leistungen zur Grundsicherung im Alter wegen Erwerbsminderung nach SGB XII.

Sie konnte jedoch auch nicht auf die Inanspruchnahme der beiden Erbinnen verwiesen werden. Grundsätzlich sei zwar davon auszugehen, dass es einem mittellosen Bestattungspflichtigen zumutbar ist, sich an Erben zu wenden und die Übernahme von Bestattungskosten gemäß § 1968 BGB zu fordern. Denn Erben sollen letztendlich gemäß § 1968 BGB die Kosten einer Beerdigung tragen, weil sie im Gegenzug das Vermögen des Erblassers erhalten. Diese Vorgehensweise sei aber dann nicht zumutbar, wenn der Nachlass überschuldet ist und die Erben, so auch die Enkelinnen des Verstorbenen, im Wesentlichen vermögenslos sind.

Quelle: SG München, Urteil v. 24.11.23, Az. S 46 SO 97/23